Fliegen im Sommer bei hohen Temperaturen
Inhalt
- Einleitung – Dichtehöhe
- Einfluss auf die Startstrecke
- Einfluss auf die Motorleistung
- Koch Diagramm
- Dampfblasenbildung
- Linksammlung
- Beispiel zur Ermittlung der Dichtehöhe
Einleitung – Dichtehöhe
Fliegen im Sommer bedeutet Fliegen bei hoher Temperatur und damit niedriger Luftdichte. Dies hat rein physikalisch eine geringere Motorleistung, Reduktion von Auftrieb und Steigleistung und damit längere Startstrecken zur Folge. Laut unserer Flugbetriebsordnung ist ab 35°C unsere gesamte Flotte gesperrt. Die massgebliche Temperatur ist dabei die unserer vereinseigenen Wetterstation (Link zu den aktuellen Daten der Wetterstation des LSV Worms). Ein Link zur Wetterstation findet sich auch auf der Hauptseite der LSV-Homepage im öffentlichen Bereich (Linkes Menü ganz unten). Außer im Internet kann man die Daten der Wetterstation natürlich auch im Flugvorbereitungsraum im Hexenhaus auf dem dort stehenden Display ablesen:
Das Display unserer Wetterstation. Standort: am Fenster im Flugvorbereitungsraum (Hexenhaus)
Wie groß die oben genannten Einbußen bei den Flugleistungen sind lässt sich mit Hilfe der Dichtehöhe abschätzen. Anschaulich ist die Dichtehöhe die Höhe, in der das Flugzeug glaubt dass es sei und sich dementsprechend verhält. Jeder Pilotenlizenzinhaber hat in seiner Ausbildung die Bestimmung der Dichtehöhe gelernt: Zunächst über die Elevation des Flugplatzes und das aktuelle QNH die Druckhöhe ermitteln, dann für diese Höhe die herrschende Temperaturabweichung von der ICAO Standardatmosphäre (ISA) bestimmen und dann die sich ergebende Höhendifferenz zur Druckhöhe addieren. Ein Beispiel zur Berechnung findet sich hier.
Von den beiden bestimmenden Größen Druck und Temperatur, hat die Temperatur den größeren Einfluss: Während ein Druckunterschied zum Standarddruck von 10 hPa gerade einmal 300 ft ausmachen, bedeuten 10°C Temperaturdifferenz schon 1200 ft! Bei Normaldruck und 35°C Temperatur liegt auch der Flugplatz Worms (Elevation 295 ft) schon auf einer (Dichte-) höhe von 2766 ft!
Noch schlimmer wird es bei etwas Tiefdruck und einem hoch gelegenen Flugplatz. Steht man z.B. bei 1003 hPa und 35°C in Kempten (EDMK, Elevation 2340 ft) so würde man (besser nicht ausprobieren!) in einer Dichtehöhe von 5649 ft starten! Dabei kommt für die dadurch stark verlängerte Startstrecke der Zuschlag für die Graspiste noch dazu!
Wenn es dann noch geregnet hat (weiterer Zuschlag) bleibt man wohl besser am Boden.
Elektronische Hilfen bei der Berechnung der Dichtehöhe findet man zuhauf: z.B. hier direkt im Internet als Browseranwendung oder z.B. die Android App „BB Density Altitude calculator„. Weitere Links am Ende des Artikels.
Besonders informativ ist diese Seite: Sie gestattet die grapische Darstellung der aktuellen Dichtehöhe und auch die der letzten Tage für jeden Flugplatz, für welchen ein METAR verfügbar ist (Direkter Link für Mannheim). Hier ein Beispielgraph aus dem Juni 2022 für Mannheim, EDFM, in dem die Flugplatz Elevation (blau) sowie die Dichtehöhe (rot) über mehrere Tage angegeben sind:
Dichtehöhe in Mannheim im Juni 2022 – Spitzenwerte bis 3000ft!
Einfluss auf die Startstrecke
Wie sich die Dichtehöhe auf die Verlängerung der Startstrecke auswirkt, kann man für den jeweiligen Flugzeugtyp im Flughandbuch (POH) nachlesen. Im Abschnitt über Flugleistungen / Performance sind die entsprechenden Charts enthalten, die neben der Startstreckenverlängerung auch Aussagen über die Landestrecke und die Verringerung der Steigleistung enthält. Zum Teil sind auch Zuschläge für die Beschaffenheit der Piste sowie der Windeinfluss dort berücksichtigt.
Verlängerungen der Startstrecke von mehr als 50% und die Reduktion der Steigleistung auf nur noch die Hälfte sind bei hohen Temperaturen durchaus möglich. Das reduziert die sonst vorhandene Sicherheitsmarge deutlich! Auch der Einfluss auf die Dienstgipfelhöhe ist beträchtlich.
Bilder: POH Auszüge der Aquila und der PA28
Einfluss auf die Motorleistung
Dier Abfall der Motorleistung von Vergasermotoren mit zunehmender Höhe / abnehmender Luftdichte wird in der folgenden Tabelle deutlich, welche aus einem Lycoming Handbuch stammt.
Koch Diagramm
Eine vereinfachte Abschätzung der Änderung von Steigleistung bzw. Startstrecke mit der jeweiligen Dichtehöhe erlaubt das Koch-Diagramm, siehe Bild unten. Dazu muss man zunächst die rechte Skala (Druckhöhe) mit der linken Skala (Temperatur) für die jeweiligen Werte mit einer Geraden verbinden. Der Schnittpunkt mit der mittleren Skala gibt dann die zu erwartende prozentuale Abweichung von Startstrecke und Steigleistung an. Viel einfacher geht es nicht!
Koch Diagramm:
Das geht auch graphisch im Internet unter https://www.takeofflanding.com/ :
Dampfblasenbildung
Unterschiedliche Kraftstoffe haben unterschiedliche Siedepunkte / Siedetemperaturen. Wird der Siedepunkt überschritten fängt der Kraftstoff an zu sieden/kochen und es bilden sich Dampfblasen in den Kraftstoffleitungen. AVgas hat einen höheren Siedpunkt als Mogas. Je mehr Alkoholanteil im Kraftstoff ist, desto niedriger ist der Siedepunkt und damit umso höher die Gefahr der Dampfblasenbildung.
Bei größerer Hitze durch Sonneneinstrahlung oder eine unzureichende Motorraumbelüftung können sich im Treibstoffsystem eines Flugzeugs auch in Abhängigkeit vom Luftdruck Dampfblasen bilden, sowohl bei Automobil-Kraftstoff, als auch bei Avgas. Avgas ist durch spezielle Additive vor Dampfblasenbildung grundsätzlich besser geschützt als Autokraftstoff. Das Risiko von Dampfblasenbildung bleibt aber alleine schon aufgrund der physikalischen Eigenschaften des Kraftstoffs bestehen. Daher müssen bei der Konstruktion des Treibstoffsystems verschiedene Maßnahmen getroffen werden, um Störungen bei der Kraftstoffversorgung zu vermeiden.
Eine Situation, in der dieser Effekt auftreten kann ist z.B. ein heißer Tag und ein in der Sonne abgestelltes Flugzeug mit heißem Motor nach der Landung. Durch die fehlende Kühlung erhitzt sich der stehende Kraftstoff in den Leitungen und Dampfblasenbildung kann auftreten.
Linksammlung
- Berechung der Dichtehöhe über Temperatur und Druck: http://www.zwinfo.biz/site/flight/altitude.php
- Berechung der Dichtehöhe über Temperatur, Druck mit Feuchteeinfluss: https://wahiduddin.net/calc/calc_da.htm (Taupunkt) und https://wahiduddin.net/calc/calc_da_rh.htm (Relative Luftfeuchtigkeit)
- Dichtehöhe und Koch-Diagramm: Erklärung der FAA
- Dichtehöhe mit Anzeige der Reduktion der Steigleistung und der Startstreckenverlängerung (Koch-Diagramm): https://www.takeofflanding.com/
- Dichtehöhe über der Zeit z.B. für Mannheim EDFM: http://www.guatemala-skies.com/flight-preparation/high-density-altitude-airports/?icao=EDFM
- Startstrecke der PA28 – Kurzweiliges Video von Pilot Ulli auf YouTube. Sogar am Flugplatz Worms gedreht!
- Zur Dampflasenbildung – Infos dazu hier.
Ergänzungen, Kommentare zu diesem Beitrag: Mail an Andreas Wüst
Beispiel zur Ermittlung der Dichtehöhe: